Balmerlinien im Spektrum von gamma Gemini
Am 04.04.2023 habe
ich ein Spektrum von gamma Gem (mag 2, Spektrum A0) aufgenommen
mit dem Samyang f = 135 mm, f/4 und der ASI 294MC Pro bei 200
gain
und -10°C Sensrtemperatur. Das Summenbild 60 x 5 sec mit dem
Star Analyser 200 in der Filterschublade des Canon-Adapters sieht
so aus
(Ausschnitt vom Summenbild 2x vergrößert):
Ganz links ist der Stern selbst bei lamda = 0, im ganz linken
Teil des Spektrums sieht man drei Balmerlinien und im rechten
Teil die O2-Bande.
Ich habe die zentrale Linie durch Stern und Spektrum ausgeschnitten, anschließend diese Linie vertikal verbreitert und das Bild in ein Luminanzbild umgewandelt.
Öffnet man dieses
Luminanzbild in Visual Spec und führt das sog. Object Binning
aus, so kann man in der so enstandenen Grafik die Pixel-x-Werte
des Sterns
und der Balmerlinien genau messen. Da die Wellenlängen der
Balmerlinien bekannt sind, ergibt sich daraus die Dispersion des
Spektrums wegen des linearen
Zusammenhangs zwischen Pixel-x-Werten und Wellenlängen. Aus der
Messung des Sterns und von drei Linien ergibt sich
18,94/18,93/18,99 A/pixel
(Mittelwert 18,95 A/pixel).
Nun kann man das
Spektrum (ohne den Stern) ausschneiden und kalibrieren. Dazu
braucht man nur die bekannte Wellenlänge einer Linie, ihren
Pixel-x-Wert in dem
neuen Bild und die Dispersion in A/pixel. Mit Tools/Run Gnu Plot
erhält man dann eine beschriftete Grafik des Spektrum-Verlaufs.
Oben angefügt an die Grafik ist die
zentrale Linie des Spektrums, vertikal vergrößert auf 30 Pixel:
Im Kurvenverlauf
sichtbar sind H-alpha (6563) schwach, H-beta (4861) deutlich,
H-gamma (4340) deutlich, H-delta (4102) gut und natürlich die
O2-Bande bei 7600 A.
Die O2-Bande erscheint im farbigen Spektrum auffällig, ist aber
im Kurvenverlauf wenig sichtbar. H-epsilon (3970) ist ebenfalls
auffällig im farbigen Spektrum, aber nur
allenfalls zu ahnen im Kurvenverlauf.
Einen Versuch ist es wert, mal das Kontinuum zu entfernen (also das Spektrum durch das Kontinuums zu dividieren) und zu sehen was übrig bleibt:
Die O2-Bande ist
nun deutlich und auch H-epsilon ist klar zu sehen. Das hat
funktionert und zeigt nun die ersten fünf Balmerlinien mit
einfachen Mitteln.
Links von H-epsilon sind im richtigen Abstand auch noch H-zeta
(3888) und H-eta (3835) zu sehen, aber nahe am verrauschten
linken Rand des Spektrums.
Ein Rezept für die Aufnahme von Spektren mit dem Samyang 135mm und dem SA200 in der Filterschublade
1. Fokussierung
mit f/2 und 400 gain, danach Aufnahmen mit f/4 und 200 gain (das
Abblenden vermindert Farbfehler)
2. Addieren mit Fitswork auf die Sterne [auf einen Stern s.u.],
dabei debayern im Superpixelmodus (4 Pixel zu 1 Pixel), um die
ungleichmäßige Verteilung der Farbpixel loszuwerden
3. Das Summenbild rotieren, damit die Spektren horizontal
verlaufen
4. Das Summenbild horizontal spiegeln, damit Blau links ist (das
ist bei meinem Setup so)
5. Spektrum mit Stern ausschneiden
6. Spektrum vergrößern und die zentrale Linie ausschneiden
7. zentrale Linie verbreitern
8. Pixel-x-Wert des Sterns messen
9. Nun den gewünschten Teil des Spektrums ausschneiden. Ist das
z.B. 4000 - 8000 A, dann begint der gewünschte Teil 4000/18,95 =
211 Pixel
rechts vom Stern und endet 211 Pixel weiter rechts.
10. Das Farbbild in Luminanz umwandeln
11. Das Luminanzbild in Visual Spec öffnen
12. Object binning ausführen
13. Basic calibration 1 line mit Wellenlänge 4000 A bei
Pixel-x-Wert = 0 und Dispersion 18,95 A/pixel
14. Ergebnis speichern
War sonst noch
was? Ja, wenn man das Spektrum Gauss glättet um das Kontinuum zu
extrahieren und dann das Spektrum durch das so erhaltene
Kontinuum
dividiert, so wurde das Ergebnis dieser Division nicht angezeigt.
Ursache war ein stark abweichender Wert im letzten Pixel. Das
kann man mit Edit/Pixel
korrigieren. Dazu muß man in der Pixelliste zweimal auf den zu
korrigierenden Wert klicken (kein Doppelklick!) und kann dann
einen passenden Wert eintragen.
Ein Vergleich mit dem Referenzspektrum a0iv.dat aus der Library von Visual Spec
Dividiert man das
Kontinuum meines Spektrums durch das Kontinuum des
Referenzspektrums so erhält man die Responsekurve meiner
Kamera/Sensor-Kombination.
Nach der Division meines Spektrums durch die Responskurve sieht
das dann so aus:
In Blau das aufgenommene Spektrum nach der Division, daneben das
Referenzspektrum
Rechts von H-delta
stimmen die beiden Spektren gut überein, allerdings sind die
Balmerlinien in meinem Spektrum weniger tief (vermutlich wegen
der geringen
Dispersion meines Spektrums). Links von H-delta (4102 A)
verschwindet die gute Übereinstimmung der Spektren (vermutlich
wegen der geringen Empfindlichkeit
meines Setups für diesen kurzwelligen Bereich).
Die schlechte
Qualität am linken Rand des Spektrums rührt auch daher, dass
das aufgenommene Spektrum schon bei 3560 A beginnt. Das
erschwerte die
Extraktion des Kontinuums am linken Rand wegen des starken
Rauschens dort. Deshalb habe ich das aufgenommene Spektrum noch
einmal neu ausgeschnitten,
diesmal mit 3700 - 8300 A. Damit habe ich dann statt des vorher
benutzten Gaussfilters mal ein Splinefilter für die Extraktion
des Kontinuums benutzt:
In Blau das
aufgenommene Spektrum nach der Division durch die Responskurve,
daneben in grün das Referenzspektrum
Das ist viel
besser als vorher. Das aufgenommene Spektrum und das
Refeferenzspektrum sind sehr ähnlich.
Das Spektrum ist hier bei 3800 A abgeschnitten. Die Kalibrierung
erfolgte auf die H-gamma-Linie.
Das Summenbild 60
x 5 sec habe ich wie gewohnt mit zwei Referenzsternen addiert um
die Bildrotation meiner Alt/Az Montierung auszugleichen.Das ist
im nachhinein keine gute Idee gewesen.
Das Blazegitter ist ja fest montiert vor dem Sensor, dadurch ist
der Winkel der Spektren zur Horizontalen in allen Bildern gleich.
Eine Drehung der Einzelbilder verschmiert die Spektren also.
Nach fünf Minute ist die Auswirkung schon deutlich sichtbar. Mit
der Addition (von den Bildern 1-10 und 51-60) auf nur einen
Referenzstern (gamma Gem) ergibt sich dieses Bild:
Ganz links ist der Stern selbst bei lamda = 0, im ganz linken
Teil des Spektrums sieht man drei Balmerlinien und im rechten
Teil die O2-Bande.
Die Verbesserung zeigt sich deutlich im rechten Teil des
Spektrums, wo sich die Rotation am stärksten bemerkbar macht.
Der Vergleich mit dem Referenzspektrum sieht nun so aus:
In Blau das aufgenommene Spektrum nach der Division durch die
Responskurve, daneben in grün das Referenzspektrum
Die
Übereinstimmung mit dem Referenzspektrum ist noch besser
geworden. Auffällig die geringe Empfindlichkeit meines Setups
jenseits von etwa 3900 A, die dort zu kürzeren Wellenlängen
hin rapide abnimmt. Eine kleine Linie ist bei etwa 5266 A nun
sichtbar geworden. Sie könnte von einfach ionisiertem Eisen
stammen.
Eine einfache Methode, die Linien besser sichtbar zu machen, ist es das aufgenommene Spektrum durch einen Lowpassfilter des Spektrums zu dividieren.
Das neue Spektrum von gamma Gem dividiert durch einen
Lowpassfilter (Stärke 5)
Beteigeuze
Von Beteigeuze
habe ich mein erstes Spektrum gemacht. Aber das war schlecht
fokussiert. Deswegen habe ich am 4. April nach gamma Gem auch
noch einmal Beteigeuze aufgenommen,
diesmal mit 60 x 1 sec bei 200 gain und f/4. Das neue Spektrum
(aus den Bildern 1-10 und 51-60) zeigt wie erwartet viel mehr
Einzelheiten. Aber was passiert, wenn ich dieses Spektrum
durch die von gamma Gem gewonnene Responsekurve dividiere?
In Blau das aufgenommene Spektrum nach der Division durch die
Responskurve, daneben in grün das Referenzspektrum
Der allgemeine
Verlauf stimmt, aber es gibt auch stärkere Unterschiede als bei
gamma Gem. Beteigeuze ist ein Stern mit M2Ib, das
Referenzspektrum ist von M2I (ohne b),
das mag ein Grund sein. Und die von einem blauen Stern
abgeleitete Responsekurve ist für einen roten Stern vielleicht
nicht gut genug.
Nun, was sieht man
da? Da ist die atmosphärische O2-Bande bei 7600+ in meinem
Spektrum prominent. Die NaII-Doppellinie bei 5893 A ist in beiden
Spektren deutlich. Rechts davon
sieht man eine TiO-Bande bei 6200 A und eine weitere TiO-Bande
bei 7150 A. Links von der Natriumlinie ist MgII (5184 A) zu
sehen.