Kalibrierung der Spektren mit dem SA200

Im Handbuch zum Star Analyser heißt es: "Because the dispersion of the STAR ANALYSER is low, the wavelength is essentially proportional to the distance along the spectrum." D.h. im Wesentlichen ist der Zusammenhang von gemessenen x-Werten zu Wellenlängen linear (lambda = faktor * x-Wert + lambda0). Davon bin ich bisher ausgegangen. Aber immer wieder war damit die O2-A Bande an der falschen Stelle.

Um die Linearität zu untersuchen habe ich die Balmerlinien und die terrestrische O2-A Bande in den Spektren von alpha, beta und delta Leo gemessen. Das Objektiv war wieder das Samyang f = 135 mm abgeblendet auf f/4. Die Verstärkung der ASI 294 MC Pro war auf 200 gain eingestellt. Die Sensortemperatur betrug -10°C. Am 12. Mai 2023 habe ich drei Bildserien gemacht: 24 x 5 sec für alpha Leo, 24 x 10 sec für beta Leo und 24 x 15 sec für delta Leo. Dabei waren die drei Sterne jeweils genau in der Mitte des Bildes, um die Bildfeldrotation meiner azimuthalen Montierung auszuschalten. Die Einzelbilder wurden ohne Dark und Flat auf die drei Sterne addiert.

Am deutlichsten sind die Balmerlinien im Spektrum von beta Leo zu sehen:


Das Spektrum und das Intensitätsprofil (mit VSpec) von beta Leo

H-epsilon (3970 A) ist im Intensitätsprofil kaum zu erkennen, ist aber im Farbspektrum ganz am linken Rand deutlich.
Für die Messung der x-Werte der Linien habe ich das Intensitätsprofil durch einen low-pass-Filter (Stärke 5) dividiert:

Das Ergebnis nach der Division durch den low-pass-Filter

Gemessen habe ich die x-Werte der Linien mit der Einstellung Spectroscopy/Computation preferences../Barycenter in VSpec.

x-Wert lambda line computed B-R
14,45 3970.07 epsilon 3976,39 6,32
20,94 4101.74 delta 4098,53 -3,21
33,98 4340.47 gamma 4343,95 3,48
60,97 4861.33 beta 4851,90 -9,43
152,03 6562.82 alpha 6565,67 2,85
209,59 7605 O2-A 7648,96 43,96

In der ersten Spalte sind die gemessenen x-Werte, in der zweiten Spalte sind die bekannten Wellenlängen der Balmerserie (mit ihren Namen in der dritten Spalte).
Die Ausgleichsgerade für die gemessenen x-Werte und die bekannten Wellenlängen ergibt: lambda = 18,8202x +3704,44. Aus den gemessenen x-Werten ergibt sich
daraus die vierte Spalte. Die Differenzen zu den bekannten Werten sind in der fünften Spalte.

Die Dispersion beträgt demnach etwa 18,8 A/pixel. Damit liegen die Differenzen in der fünften Spalte bei 0,15 bis 0,5 Pixel. Im benutzten Bereich von H-epsilon (3970 A)
bis H-alpha (6563 A) läßt sich der Zusammenhang von x-Wert zu Wellenlänge tatsächlich linear darstellen. Aber die Messung der terrestrischen O2-Bande zeigt, dass
die Linearität bei größeren Wellenlängen nicht mehr gegeben ist.

Als Überblick erst einmal alle gemessenen Werte:

  H-epsilon H-delta H-gamma H-beta H-alpha O2-A
alpha Leo 19,99 26,47 39,50 67,01 157,01 214,54
beta Leo 14,45 20,94 33,98 60,97 152,03 209,59
delta Leo 7,05 14,54 26,46 53,99 144,52 202,07

Die Meßreihen sind gegeneinander verschoben, weil die Spektren mit verschiedenen linken Rändern ausgeschnitten wurden. Das Spektrum von beta Leo liegt rechts von delta Leo
um 7,40/6,40/7,52/6,98/7,51/7,52 Pixel (Mittelwert 7,22 Pixel). Für alpha - delta sind es 12,94/11,93/13,04/13,02/12,49/12,47 Pixel (Mittelwert 12,65 Pixel).

Schiebe ich nun die Meßwerte von alpha Leo um 12,65 Pixel nach links und für beta Leo um 7,22 Pixel nach links, so ergibt sich:

  H-epsilon H-delta H-gamma H-beta H-alpha O2-A
alpha Leo 7,34 13,82 26,85 54,36 144,36 201,89
beta Leo 7,23 13,72 26,76 53,75 144,81 202,37
delta Leo 7,05 14,54 26,46 53,99 144,52 202,07
Mittelwert 7,21 14,03 26,69 54,03 144,56 202,11
Standardfehler 0,15 0,45 0,20 0,31 0,23 0,24

Der mittlere Fehler einer Messung liegt hier bei 0,26 Pixel, das entspricht etwa 5 A oder 0,5 nm.
Eine quadratische Lösung mit den Mittelwerten der Messungen gibt auch die Lage der O2-A Bande richtig wieder mit einem mittleren Fehler der Messungen von 4 A.
Eine kubische Lösung gibt die Mittelwerte der Messungen allerdings nahezu perfekt wieder:


Damit haben wir für die Mittelwerte der letzten Tabelle: lambda = 3833,923 +
18,974x + 0,0015647x2 - 0,000015474x3.

Der blaue Teil gibt die Gerätekonstanten für mein Setup, lambda0 = 3833,923 gilt nur für die Mittelwerte und nicht für die Einzelreihen.
Nach Anpassen der lambda0 für alpha (3599,375), beta (3699,098) und delta (3833,941) Leo sind die Residuen der Einzelmessungen [A]:

  H-epsilon H-delta H-gamma H-beta H-alpha O2-A
alpha Leo -0,79 +0,69 +9,87 +2,00 -5,66 -6,10
beta Leo +3,48 -4,78 +4,56 -3,08 +2,69 -2,87
delta Leo -2,29 +8,37 -3,67 -0,86 -0,78 -0,77
Mittelwert +0,13 +1,42 +3,59 -0,65 -1,25 -3,25

Da der Abbildungsmaßstab im aufgenommenen Bild nicht überall gleich ist (für astrometrische Messungen wird ein Polynom vierten Grades benutzt), gilt die hier abgeleitete
Kalibrierung nur für Sterne genau im Mittelpunkt des Bildes. Aber das sollte sowieso so sein, weil sonst die Bildfeldrotation (durch meine azimuthale Montierung) die
Sternspektren verschmiert (die Spektren drehen sich ja mit).

Durch die Kenntnis der Gerätekonstanten (den Koeffizienten von x, x2 und x3) ist es möglich ein Spektrum zu kalibrieren, wenn nur die Wellenlänge einer einzigen sichtbaren
Linie bekann ist. Deren Messung liefert den Wert für lambda0 und damit den Zusammenhang von x-Werten und Wellenlängen.
Immer bekannt ist die Position des Sterns in der Bildmitte bei lambda = 0. Aber das ist weit außerhalb des hier untersuchten Bereichs von 4000 - 7600 A.
Ein Versuch mit lambda = 0 zu kalibieren scheiterte.

Deshalb habe ich die Spektren neu ausgeschnitte, um auch die Position der Sterne messen zu können. Allerdings konnte ich in den neuen Bildern nur 13 der 18 Linien messen.
Mit den wie oben berechneten Mittelwerten ergab sich:


Für den Bereich 0 - 7600 A gibt es diese Lösung: lambda = -345,224 +
18,297x + 0,0036126x2 - 0,000005909x3.

Die Residuen d_lambda sind deutlich größer als vorher, aber maximal immer noch kleiner als 1 Pixel (vorher etwa 0,5 Pixel).
Für Spektren ohne bekannte Linien könnte diese Lösung durchaus brauchbar sein.

Anwendung

Die Parameter einer Lösung kann man mit Equation Save in eine Textdatei speichern und dort ändern. Will man ein neues Spetrum kalibrieren, dann lädt man die Parameter,
setzt lambda0 auf Null, markiert eine Linie, gibt ihre Wellenlänge an und bestätigt mit Enter. Klickt man dann auf Apply, dann wird das passende lambda0 angezeigt und die
Lösung auf das Intensitätsprofil übertragen:


Intensitätsprofil von SAO 80950 (mag 6,8 Sp B9) Nach der Markierung der Linie wird ihr x-Wert berechnet und nach Eingabe ihrer Wellenlänge wird das passende lambda0 berechnet

Auf diese Weise kann ein Spektrum kalibriert werde, wenn z.B. nur die terrestrische O2-A Bande sichtbar ist.

Kalibrierung des Spektrums von gamma Cyg

Das Spektrum von gamma Cyg habe ich am 04.04.2023 aufgenommen und damals linear kalibriert. Dabei hatte ich eine Linie bei 5266 A gefunden und sie aus einer Liste von Laborlinien FeII
bei 5270 A zugeordnet. Erst später fand ich heraus, dass es in VSpec auch eine Liste mit stellaren Linien gibt. Bei der Aufnahme des Spektrums war gamma Cyg 122 Pixel von der Bildmitte
entfernt. Wie stark unterscheidet sich die kubische Lösung hier von der oben gefundenen? Was ergibt die Messung der Linie? Welche Linie wird in der Liste der stellaren Linien gefunden?


Die kubische Lösung ist hier: lambda = 3822,563
+ 19,318x - 0,001166x2 - 0,0000088976x3.

Die Koeffizienten der Lösung haben sich deutlich verändert.
Die Messung der Linie ergibt nun 5273 A statt vorher 5266 A.
In der Liste der stellaren Linien findet sich eine FeII Linie bei ebenfalls 5273 A.
Die Laborlinie bei 5270 A fehlt in der Liste der stellaren Linien.


Das Intensitätsprofil (dividiert durch die Responsekurve der Kamera) mit den sechs Linien, die zur Kalibrierung benutzt wurden

Die Dispersion der aufgenommenen Spektren beträgt etwa 19 A/pixel. Deshalb verschmelzen hier mehrere Linien wie 5269, 5273, 5276, 5278.