Nochmal visuelle Grenzgrößen

Bisher hatte sich gezeigt, dass das Samyang 135 mm zusammen mit der ASI 294 MC Pro in einer Stunde Sterne bis zur 18. Größenklasse abbilden kann. Allerdings gab es das Problem das der APASS-Katalog nur bis 18,0 mag reicht und jenseits von 17,0 mag unvollständig ist. Außerdem sind die Helligkeitsmessungen mit Astrometrica im Bereich kleiner SNRs recht unzuverlässig, besonders wenn es an passenden Vergleichssternen fehlt.

Beim Blättern in alten Heften von Sky & Telescope fand ich im Heft Dezember 1984 den Artikel "Finding Your Telescope's Magnitude Limit". Der Artikel zeigt drei Fotos von "Selected Areas" (SA) in denen ausgewählte Sterne bis zu einem visuellen Limit von 21,0 mag mit ihren Helligkeiten markiert sind. Das dritte Foto (SA 68) zeigt eine Region dicht bei Algenib (gamma Peg), die zur Zeit am Abendhimmel kulminiert.

Am Abend des 28. Oktober war der Himmel klar, die Astronomische Dämmerung endete um 19:54 MESZ und der Mond ging erst um 23:11 MESZ auf. In der Zeit von 22:11 bis 23:12 habe ich eine Serie von 180 x 20 sec gemacht bei 400 gain, -10°C Sensortemperatur, Brightness 0 und Offenblende (f/2,0) des Objektivs. Am Anfang stand SA 68 51 Grad hoch in SSO und am Ende 52 Grad hoch im Süden. Die Lufttemperatur betrug +10°C und die relative Luftfeuchtigkeit war bei 86%. Die Himmelshelligkeit in SA 68 betrug am Anfang 19,2, in der Mitte 19,4 und am Ende der Bildserie 19,5 mag/arcsec2.

Die 180 Rohbilder wurden ohne Darks nur mit Flatdarks korrigiert, debayert und addiert.. Dann wurde der grüne Farbkanal extrahiert und der zentrale Bildteil (2072 x 1410 von 4144 x 2822 Pixel) ausgeschnitten.Im zentralen Bildteil wurde die Region um SA 68 ausgeschnitten und linear auf 200% vergrösert. Das Bild von SA 68 wurde linear auf 50% verkleinert und passend gedreht. Das Ergebnis sieht so aus:

Dann habe ich im APASS-Katalog sechs Sterne (astern bis fstern) mit 17,0 - 18,0 mag herausgesucht und in Astrometrica markiert. Beim Vergleich mit SA 68 zeigte sich dass bstern und fstern außerhalb von SA 68 liegen (bstern ist auch nicht in APASS). Die anderen vier Sterne habe ich mit ihren APASS-Helligkeiten versehen. Hier ein Vergleich von APASS mit SA 68:

Name APASS mag Standardfehler SA 68 mag Differenz APASS-SA68
astern 17,66 0,11 17,4 +0,26
cstern 17,30 0,12 17,6 -0,30
dstern 17,57 0,21 18,0 -0,43
estern 17,22 0,03 17,5 -0,28

Die Standardfehler der alten SA 68 Helligkeiten sind unbekannt, vermutlich liegen sie auch bei 0,1 - 0,2 mag oder sind sogar größer. Damit lassen sich die Differenzen erklären.

Jenseits von 18,0 mag läßt sich kein Stern des SA 68 Bildes sicher auf meinem Summenbild finden. Die visuelle Grenzgröße liegt hier demnach bei etwa 18,0 mag.

Eine weitere Möglichkeit Sternhelligkeiten in diesem Bereich zu finden liefert der Gaia DR3 Katalog. Seine G-Band Helligkeiten lassen sich laut dieser Quelle mit einer Korrektur von +0,28 mag in visuelle Helligkeiten umrechnen. Die Daten von Gaia DR3 können hier eingesehen werden und liefern eine Überraschung:

Name APASS mag Standardfehler SA 68 mag Gaia DR3 G+0,28 mag Gaia - APASS Gaia - SA 68
astern 17,66 0,11 17,4 17,43 -0,23 +0,03
cstern 17,30 0,12 17,6 17,61 +0,31 +0,01
dstern 17,57 0,21 18,0 18,01 +0,44 +0,01
estern 17,22 0,03 17,5 17,46 +0,24 -0,04

Die Gaia-Helligkeiten (hier mit einem Standardfehler von 0,003 mag) stimmen perfekt mit den SA 68 Helligkeiten vom Dezember 1984 überein und die APASS-Helligkeiten sind in diesem Helligkeitsbereich mit großen Fehlern (jenseits der angegebenen Standardfehler) behafted. Der Stern dstern hat also eine Helligkeit von 18,0 mag und wird damit noch sicher erkannt, die visuelle Grenzgröße des Summenbildes könnte noch einige Zehntel Größenklassen darunter liegen.

Weitere Vergleiche von APASS, SA 68 und Gaia

Name APASS mag Standardfehler SA 68 mag Gaia DR3 G+0,28 mag Gaia - APASS Gaia - SA 68
fstern 17,03 0,02 außerhalb 17,26 +0,23  
gstern 17,08 0,03 16,9 16,98 -0,10 +0,08
hstern fehlt   17,1 16,81   -0,29
istern fehlt   17,6 17,16   -0,44

Die nächste Überraschung: auch die SA 68 Helligkeiten können stark von den Gaiahelligkeiten (die auch hier einen Standardfehler von 0,003 mag haben) abweichen.
(gstern ist der Stern im roten Kreis im rechten, oberen Quadranten, hstern sein Nachbar rechts oberhalb und istern liegt in SA 68 als 176 nahe der Nord-Süd Linie.)

Berechnung der Grenzgröße aus den SNRs

Mit dem Gaia-Katalog und einer Auswahl von Sternen im Bereich 14,0 - 16,0 mag findet Astrometrica im Summenbild 46 Sterne, die nicht mehr als 0,01 mag von den Kataloghelligkeiten abweichen. Aus den SNRs dieser Sterne ergibt sich mit einer Korrektur von 2,5 * LOG10(SNR/3) für die Grenzgröße mit SNR = 3 ein Wert im G-Band von 17,79 ± 0,18 mag und damit eine visuelle Grenzgröße von 18,07 ± 0,18 mag. Das stimmt gut mit den bisherigen Ergebnissen überein.

Für das SNR habe ich hier den Wert von "PeakSNR" im Logfile benutzt. Das ist aber nur der SNR-Wert für das hellste Pixel, dessen Helligkeit je nach Lage des Zentriods zufällig schwankt. Einen besseren Wert erhält man mit "Total SNR", der im PhotReport.txt und im ADESReport gespeichert wird.

Fazit

Da die "Seletected Areas" mit visuellen Helligkeiten nur an drei Stellen des Himmels verfügbar sind und die APASS-Helligkeiten jenseits von 17 mag lückenhaft und fehlerbehaftet sind, ist die Ermittlung der visuellen Grenzgrößen mit Hilfe des Gaia-Katalogs das Mittel der Wahl.

Bestimmung der Korrektur Johnson V - Gaia G

Dazu habe ich ein Einzelbild (Bild 90) aus der Mitte der Bildserie benutzt. Die Einzelbilder sollten eine Grenzgröße von etwa 18,0 - 2,5 * LOG10(Wurzel(180)) = 18,0 - 2,8 mag = 15,2 mag haben. Die APASS-Sterne im Bereich 12 - 14 mag sind reichlich vorhanden und haben kleine Standardfehler. Mit dieser Auswahl findet Astrometrica 127 Sterne, die nicht mehr als 0,05 mag von den Kataloghelligkeiten abweichen und einen Johnson V Zeropoint von 24,829 mag. Der Bereich 12,0 - 14,0 V entspricht etwa 11,7 - 13,7 G. In diesem Bereich findet Astrometrica 137 Sterne mit einem Fehler von nicht mehr als 0,05 mag und einen Gaia G Zeropoint von 24,633 mag. Daraus ergibt sich die Korrektur zu 24,829 - 24,633 mag = +0,196 mag (gerundet +0,20 mag). Das ist nun deutlich weniger als die 0,28 mag vom MPC. Ursache ist vermutlich, dass ich die G-Helligkeiten im grünen Farbkanal gemessen habe. Das G-Band umfasst einen viel größeren Wellenlängenbereich, das kann den Unterschied erklären.

Nachtrag am 24.01.2022: David Tholen schrieb in MPML um 01:26
> Somewhere on their web site is the official list of transformations for
> all colors. The one for G is
>
> V - G = 0.28

It's not quite so simple. The photometric calibration has changed between
Gaia DR1, Gaia DR2, and Gaia EDR3, so "one size does NOT fit all". The
value quoted above is for Gaia DR1, and also for asteroids of average color.
For Gaia DR2, the difference is closer to 0.20 mag. If you know the color
of your target, it would be better to use the full transformation.

Das stimmt mit meinem Ergebnis für DR3 genau überein.

Mit der neuen Korrektur fällt der Vergleich mit SA 68 und APASS im Summenbild anders aus:

Name APASS mag Standardfehler SA 68 mag Gaia DR3 G+0,20 mag Gaia - APASS Gaia - SA 68
astern 17,66 0,11 17,4 17,35 -0,31 -0,05
cstern 17,30 0,12 17,6 17,53 +0,23 -0,07
dstern 17,57 0,21 18,0 17,93 +0,36 -0,07
estern 17,22 0,03 17,5 17,38 +0,16 -0,12
fstern 17,03 0,02 außerhalb 17,18 +0,15  
gstern 17,08 0,03 16,9 16,90 -0,18 ±0,00
hstern fehlt   17,1 16,73   -0,37
istern fehlt   17,6 17,08   -0,52

Die Differenzen zu APASS sind insgesamt kleiner geworden, die Differenzen zu SA 68 sind etwas größer geworden (aber bis auf hstern und istern immer noch recht klein).

Die visuelle Grenzgröße für das Summenbild liegt mit der neuen Korrektur nun bei 17,79 + 0,20 = 17,99 ± 0,18 mag. Im Einzelbild liegt die visuelle Grenzgröße bei 15,59 ± 0,33 mag. Die Differenz 17,99 - 15,59 = 2,40 ± 0,51 mag. Das liegt noch im Bereich der erwarteten Differenz von 2,8 mag für den Belichtungsunterschied. Das Einzelbild hat im G-Band eine Grenzgröße von 15,39 ± 0,31 mag, also exakt 0,20 mag heller als die visuelle Grenzgröße. Das dürfte wegen der großen Standardfehler der Grenzgrößen wohl zufällig so sein.

Aus dem TotalSNR ergibt sich für die Grenzgröße eines Einzelbildes 15,29 ± 0,16 mag (G) oder 15,49 ± 0,16 mag (V). Das ist nicht viel anders als die Rechnung mit der PeakSNR.

Noch ein Fazit

Die hier ermittelte Grenzgröße für das Samyang 135 mm und eine Stunde mit 400 gain von 18,0 mag bei einer Himmelshelligkeit von etwa 19,4 mag/arcsec2 paßt gut zu den Werten vom 25.04.2020 mit einer Grenzgröße von 18,3 bei einer Himmelshelligkeit von 19,65 mag/arcsec2.