Was bewirkt die Gain-Einstellung?

Mit Gain wird die Verstärkung des Sensor-Signals bezeichnet. Bei der ASI 294MC Pro lassen sich Gain-Werte von 0 bis 570 einstellen. Dabei entsprechen 100 gain einer Verstärkung um den Faktor 10. Da das Rauschen mitverstärkt wird, beträgt die effektive Signalverstärkung Wurzel(10) = 3,16. Das entspricht 1,25 astronomischen Größenklassen.

Nun könnte man denken, dass mit jeder Steigerung der Verstärkung um 100 gain auch etwa eine Größenklasse schwächere Sterne mit der gleichen Belichtungszeit abgebildet werden können. Das ist aber nicht so, wie ein Vergleich der Bilder mit 120 und 570 gain gezeigt hat. Der Unterschied in der Grenzgröße ist viel kleiner als erwartet.

Um herauszufinden, wie sich die Gain-Einstellungen auf die Bilder eines Sternfeldes auswirken habe ich am 07. April 2021 Testserien von jeweils 10 x 10 sec mit 0, 100, 120, 200, 300, 400, 500 gain von dem Sternfeld um U Gem gemacht. Das Sternfeld lag etwa 40 Grad hoch über dem SW-Horizont (über dem Stadtlicht von Elmshorn), die Himmelshelligkeit lag dort bei 19,5 mag/arcsec2. Das Objektiv war das Samyang 135 mm bei Offenblende (f/2.0). Der Sensor wurde auf -10°C gekühlt. Die Kamera stand auf dem Fensterbrett eines offenen Fensters, die Heizung unter dem Fenster sorgte für schlechtes Seeing.

Von den Summenbildern habe ich kleine Ausschnitte um U Gem gemacht und auf 200% linear vergrößert. Durch die wachsende Verstärkung werden die Bilder immer heller. Für einen Vergleich der Bilder habe ich den Himmelshintergrund so ungefähr angepaßt:


von links nach rechts Ausschnitte mit 0, 100, 120, 200, 300, 400, 500 gain
Rechts von der Bildmitte ist U Gem bei etwa 14,0 mag. Direkt links unterhalb ist ein Stern von 14,7 mag.

Die Bilder unterscheiden sich wenig. Auffällig ist, dass der Stern von 14,7 mag bei 0 gain nicht zu sehen ist und bei 500 gain am deutlichsten ist. Aber eine Auswertung der Bilder mit Astrometrica (URAT-1 Katalog mit Auswahl 11,0 bis 14,0 mag) zeigt mehr:

gain ZP sky seeing stars limit 1-sigma
0 21,226 19,56 27,9 29 14,05 0,49
100 22,508 19,87 25,9 47 14,62 0,35
120 22,805 19,25 26,5 61 14,80 0,35
200 23,881 19,54 26,9 41 15,20 0,31
300 25,157 19,56 27,4 42 15,47 0,27
400 26,403 19,38 27,8 48 15,70 0,22
500 27,544 19,40 28,5 23 15,68 0,32

Der Zero Point (ZP) wächst von 0 auf 400 gain um 5,177 mag und von 100 auf 500 gain um 5,036 mag. Das entspricht recht gut den erwarteten 1,25 mag pro 100 gain (4 * 1,25 mag = 5,0 mag). Eine Ausgleichsgerade durch die Werte von 120 - 500 gain ist: ZP = 21,361 mag + 0,0125 * gain. Die mittlere Extinktion lag in 40° Höhe bei 0,44 mag. Korrigiert für Extinktion ergibt sich: ZP = 21,80 mag + 0,0125 mag * gain - Extinktion für Bilder mit 100 Sekunden Belichtungszeit. Mit bzeit = Belichtug in Sekunden gilt dann: ZP = 16,80 mag + 0,0125 mag * gain + 2,5 mag * LOG10(bzeit) - Extinktion. (wahre Extinktion mit Zenit = 0,28 mag)

Die Himmelshelligkeit beträgt 19,5 ± 0,2 mag/arcsecFWHM-Werte der von Astrometrica gemessenen Sterne (in Bogensekunden). Ein Pixel entspricht 7,38 Bogensekunden.2. Das Seeing ist der Median der

Für die Berechnung der Grenzgröße habe ich in der Log-Datei die Sterne herausgefiltert, deren von Astrometrica gemessenen Helligkeiten von den Kataloghelligkeiten um weniger als 0,005 mag abweichen. Ihre Anzahl befindet sich in der Spalte 'stars'. Die Grenzgröße (limit) ist dann berechnet mit limit = Sternhelligkeit + 2,5 mag * LOG(SNR/3). Die Standardabweichung (1-sigma) der Ergebnisse ist in der letzten Spalte.

Die besten Helligkeitsmessungen sind wie erwartet bei 120 gain (unity gain) zu finden. Dort stimmen die gemessenen Helligkeiten von 61 Sternen exakt mit den Kataloghelligkeiten überein. 120 gain ist die beste Einstellung für Photometrie. Die beste Grenzgröße wird hier bei 400 gain erreicht mit einem Gewinn von 0,9 mag im Vergleich zu 120 gain.

Ein Vergleich mit früheren Bildern

Für Bilder vom 25.04.2020 mit 400 gain und 100 Sekunden Belichtung hatte ich eine Grengröße von 16,5 mag gefunden - immerhin 0,8 mag mehr als hier. Das Seeing lag damals aber bei 18,3 Bogensekunden, das Licht der Sterne war also konzentrierter. Die Fläche der Sternscheibchen ist hier um (27,8/18,3)2 = 2,31 größer als am 25.04.2020. Nimmt man probeweise an dass dieses Flächenverhältnis gleich dem Intensitätsverhältnis ist, dann erhält man eine Helligkeitsdifferenz von 2,5 mag * LOG10(2,31) = 0,9 mag für die Grenzgrößen. Das paßt recht gut.

Die damals gefundene Berechnung der visuellen Grenzgröße = 14,0 + 2,5 mag * LOG10(Wurzel(bzeit)) mit bzeit = Belichtungszeit in Sekunden kann für 400 gain ergänzt werden mit: visuelle Grenzgröße = 14,0 + 2,5 mag * LOG10(Wurzel(bzeit)) - 2,5 mag * LOG10((seeing/18,3)2).

Am 25.04.2020 betrug die Himmelshelligkeit 19,5 mag/arcsec2 (wie am 07.04.2021), aber die Höhe über dem Horizont betrug etwa 49 Grad mit einer durchschnittlichen Extinktion von nur 0,38 mag (statt 0,44 mag am 07.04.2021). Mit Berücksichtigung der Extinktion ergibt sich für 400 gain:

visuelle Grenzgröße = 14,4 + 2,5 mag * LOG10(Wurzel(bzeit)) - 2,5 mag * LOG10((seeing/18,3)2) - Extinktion

Für eine Belichtung von 100 sec, einem seeing von 27,8" und einer Extinktion von 0,44 mag ergibt sich daraus eine visuelle Grenzgröße von 15,55 mag. Eine Ausgleichsgerade durch die hier gemessenen Werte für 120 - 500 gain ist: Grenzgröße = 14,66 + 0,00232 * gain mit 15,59 mag für 400 gain. Eine vollständigere Berechnung der Grenzgröße sieht nun so aus:

visuelle Grenzgröße = 13,45 mag + 2,5 mag * LOG10(Wurzel(bzeit)) - 2,5 mag * LOG10((seeing/18,3)2) + 0,00232 mag * gain - Extinktion (wahre Extinktion mit Zenit = 0,28 mag)

Damit ergibt sich hier 13,45 + 2,50 - 0,91 + 0,93 - 0,44 = 15,53 mag als visuelle Grenzgröße statt 15,59 mag aus der Ausgleichsgeraden.

Am 30.03.2021 hatte ich Bilder mit 20 sec Belichtung und 120 gain aufgenommen. Die durchschnittliche Extinktion betrug 0,37 mag in 50 Grad Höhe über dem Horizont. Die Auswertung von Bild 30 mit Astrometrica (URAT-1 Katalog mit Auswahl 11,0 bis 14,0 mag) zeigt ein Seeing von 26,2" und eine Grenzgröße von 14,20 ± 0,30 mag. Die Rechnung mit der blauen Gleichung ergibt eine Grenzgröße von 13,45 + 1,63 - 0,78 + 0,28 - 0,37 = 14,21 mag.

Die Bestimmung der Sättigungsgrenzen

Was noch fehlt ist die Bestimmung der Sättigungsgrenzen. Sie sollten wie die visuellen Grenzgrößen von der Belichtungszeit, dem Seeing, dem Gain und der Extinktion abhängen. Um die 95% Sättigugsgrenze (15564/16383 ADU) zu finden, habe ich in den 10 Rohbildern jeweils die Peak-ADUS gemmesen und dann mit deren Spitzenwert die Sättigungsgrenze berechnet mit Kataloghelligkei - 2,5 * LOG10(15564/max Peak-ADU).

gain B R B-R
120 7,66 7,62 +0,04
200 8,69 8,67 +0,02
300 9,85 9,99 -0,14
400 11,38 11,30 +0,08
500 13,82 12,61 +1,21

In der Spalte 'B' sind die ermittelten Sättigungsgrenze eingetragen. Aus den Werten für 120 - 400 gain habe ich diese Ausgleichsgerade berechnet Sättigungsgrenze = 6,05 mag + 0,0131 mag * gain. In der Spalte 'R' stehen die damit berechneten Werte und in der Spalte 'B-R' sind die Differenzen Beobachtung - Rechnung. Mit der Korrektur für Extinktion (0,44 mag) ergibt sich: Sättigungsgrenze = 6,5 mag + 0,0131 mag * gain - Extinktion.

Bis 400 gain gibt die Ausgleichsgerade die Beobachtungen gut wieder. Aber bei 500 gain liegt die Grenze bei 13,8 mag statt berechnet bei 12,6 mag. Die Ursache für diese Differenz ist unklar. Aber auch schon im Bereich 120 - 400 gain steigt die Sättigungsgrenze schneller als erwartet mit 0,0131 mag pro gain statt mit 0,0125 mag pro gain.

Bilder mit 500 gain und 10 Sekunden Belichtungszeit haben nur eine kleine Differen zwischen Sättigungsgrene (13,8 mag) und 3-sigma Grenzgröße (14,5 mag). In solchen Bildern sind also fast alle (bis auf die schwächsten) Sterne gesättigt. Für 400 gain und 10 sec sieht das schon besser aus mit 11,3 mag für die Sättigungsgrenze und 15,0 mag für die visuelle Grenzgröße.

Ein Vergleich mit früheren Bildern

Der Vergleich soll zeigen, wie die Änderung der Belichtungszeit auf die Sättigungsgrenze wirkt. Am 30.03.2021 habe ich Bilder mit der doppelten Belichtungzeit (20 sec statt hier 10 sec) gemacht mit einem Gain von 120 und bei einem Seeing von 26,2". Die Sättigungsgrenze lag in diesen Bildern bei 8,2 mag. Für Extinktion (0,37 mag) korrigiert liegt diese Sättigungsgrenze bei etwa 7,83 mag. Am 07.04.2021 lag sie bei 7,62 - 0,44 = 7,18 mag bei ähnlichem Seeing, das ist ein Unterschied von 0,65 mag bei Verdoppelung der Belichtungszeit.

Am 20.11.2020 habe ich Bilder mit 20 sec Belichtung und 300 gain aufgenommen (wie immer mit f = 135 mm, Blende 2,0, -10°C Sensortemperatur). Die 95% Sättigungsgrenze lag bei 11,70 mag. Für Extinktion (0,58 mag) korrigiert liegt die Sättigungsgrenze bei 11,12 mag. Das Seeing für Sterne 11 -14 mag lag bei 19,0". Korrigiert um 2,5 mag * LOG10((26,2/19,0)2) = 0,70 mag sind das 10,42 mag. Am 07.04.2021 lag die Grenze bei 9,99 - 0,44 = 9,55 mag, das ist ein Unterschied von 0,87 mag bei Verdoppelung der Belichtungszeit.

Eine Verdoppelung der Belichtungszeit führt zu einer Verdoppelung der ADU-Werte und damit zu einer Änderung um 2,5 mag * LOG10(2) = 0,75 mag. Der Mittelwert der beiden Bildserien mit 20 sec Belichtung ergibt für die Änderung (0,65 + 0,87) / 2 = 0,76 mag. Das paßt und auch die Korrektur für Seeing scheint passend zu sein.

Ergänzt um Belichtungszeit und Seeing ergibt sich:

Sättigungsgrenze = 4,0 mag + 0,0131 mag * gain + 2,5 mag * LOG10(bzeit) - 5,0 mag * LOG10(seeing/26,2) - Extinktion. (wahre Extinktion mit Zenit = 0,28 mag)

Wie wirkt die Gain-Einstellung auf das Rauschen des Himmelshintergrundes?

Die Antwort habe ich hier gefunden. Wenn das Signal z.B. 100fach verstärkt wird (400 gain), dann wird auch das Rauschen 100fach verstärkt. So kommt mit wachsender Verstärkung ein immer stärkeres Rauschen in die Bilder. Da das Signal aber in gleicher Weise verstärkt wird, bleibt das SNR gleich.